Heute hat Martje, eine Gästin, etwas für uns geschrieben:
Es ist der 19. Juli 1996, ich sitze vor dem Fernseher und verfolge die Eröffnungsfeier der olympischen Sommerspiele in Atlanta. 10.320 Sportler aus 197 Nationen nehmen damals an den Spielen teil. Es sind die 26. Spiele der Neuzeit, Jubiläumsspiele (100 Jahre) und gleichzeitig die erste Teilnahme an olympischen Spielen überhaupt für einen kleinen, karibischen Inselstaat.
Eine Fahnenträgerin (Diane Francis, wie ich jetzt nachgeguckt habe) erregt meine Aufmerksamkeit. Sie wirkt noch glücklicher und stolzer als die anderen Athleten. Sie strahlt und schwenkt die schräg gestreifte Flagge in grün, gelb, rot mit dem schwarzen Balken mit den 2 Sternen und geht hinter dem Schildträger mit dem Namen des Landes.
„St. Kitts and Nevis“.
Klingt das schön!
Die Leichtathletik-Wettkämpfe nehmen ihren Lauf, der US-amerikanische Sprintstar Michael Johnson gewinnt Gold über 200 und 400 Meter, die 100 Meter Staffel der Männer aus St. Kitts and Nevis wird nur Vierter im zweiten Vorlauf und ich beschließe, dass ich in diesem Leben einmal da gewesen sein muss!
Übrigens: dieser 4. Platz ist das beste Ergebnis der 10 Sportler aus der Karibik. Sie haben kein Medaillenglück, was ihrer guten Laune und ihrem Stolz, dabei gewesen zu sein, aber keinen Abbruch tut.
Zu diesem Augenblick habe ich noch keine Ahnung, wo das Land liegt, dass es ein aus den beiden Inseln bestehender Bundesstaat ist und 1983 aus britischer Kolonialherrschaft in die Unabhängigkeit entlassen wurde.
Ich weiß ebenfalls noch nicht, dass das Staatsoberhaupt weiterhin die britische Königin Elisabeth II. ist, die derzeit durch einen Generalgouverneur vertreten wird.
Ich weiß noch nicht, dass St. Kitts and Nevis eine marktwirtschaftlich orientierte Demokratie ist und sogar für karibische Verhältnisse extrem hoch verschuldet ist…200% des BiP ist weltweit Spitze!
St. Kitts und Nevis leidet unter seinem kleinen Binnenmarkt, hoher Verletzlichkeit gegenüber Naturkatastrophen und einer wenig diversifizierten Industrie. Der Tourismus, der die Zuckerindustrie bereits in den 70er Jahren als Haupteinnahmequelle abgelöst hatte, ist wirtschaftlich immens wichtig. Umso härter trifft die Inseln im Oktober 2008 der Hurrikan “Omar“, der schwere Schäden, u.a. an der touristischen Infrastruktur, verursacht. Der Rückgang an Touristen in Folge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise traf St. Kitts und Nevis ebenfalls besonders hart. Seit Anfang 2011 steigt die Zahl der Urlaubsreisenden zwar wieder leicht an, bietet angesichts der ungewissen Wirtschaftsentwicklung im Hauptmarkt USA aber keine verlässliche Grundlage für nachhaltiges Wachstum.
Wir sollten also dringend die dortige Wirtschaft fördern und unser Geld dort in Rum investieren! Zum Beispiel in den 4 Jahre im Holzfass gelagerten Belmont Estate Gold Coconut Rum, der ursprünglich auf Jamaica in Kingston entwickelt und produziert wurde, jedoch seit 2000 auf St. Kitts hergestellt wird.
1996 weiß ich auch noch nicht, dass St. Kitts und Nevis Mitglied der Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) und der OECS-Währungsunion ist und den Ostkaribischen Dollar (aktuell: 1€ ist 3,49XCD) hat. Dass die Amtssprache englisch ist und es insgesamt rund 50.000 Einwohner und keine einzige Ampel hat.
Was zu überprüfen wäre… und hey, damit haben die damals etwa 0,02% Prozent ihrer Einwohner zu den olympischen Spielen geschickt…Deutschland 0,00000567% (465 Teilnehmer bei etwa 82 Mio.) und die USA…egal! Es sind jedenfalls im Verhältnis ganz schön viele!
Ich konnte damals auch nur erahnen, dass dort ein heißes, tropisches Klima vorherrscht, angenehm gekühlt durch die Passatwinde. Dass es von Januar bis April arid ist und im Sommer und zum Jahresende hin etwas regnet. Dass die Jahres- Regenmenge nur etwa 125-200 mm beträgt (zum Vergleich: in Hamburg fallen derzeit durchschnittlich 773mm im Jahr), wagte ich nicht mal zu hoffen.
Aber gutes Wetter reicht natürlich nicht, die Gewaltkriminalität hat in St. Kitts und Nevis in letzter Zeit erheblich zugenommen, allein die Zahl der Morde hat sich seit 2002 versechsfacht! Daher hat die Regierung von St. Kitts 2008 entschieden, wieder die Todesstrafe vollstrecken zu lassen.
Sehr beruhigend…
Ziel war, abzuschrecken und somit die hohe Mordrate zu bekämpfen, die St. Kitts zum Land mit der weltweit höchsten Mordrate pro Kopf 2008 machte.
Ein sehr zweifelhafter Rekord! Aber ich hoffe, dass die einfach nur gewissenhafter im Dokumentieren von Morden sind als andere Länder…
St. Kitts hat zwar wie auch die anderen ehemaligen britischen Kolonien in der Karibik das britische Rechtssystem übernommen, die im ehemaligen Mutterland vor 40 Jahren vollzogene Abschaffung der Todesstrafe wurde jedoch hier nicht umgesetzt. Beruhigend ist aber, dass die höchste juristische Instanz für St. Kitts der Privy Council in London ist, welcher bereits einige verhängte Todesstrafen während der Einspruchsfrist wieder aufhob.
St. Kitts und Nevis wurden 1493 auf der zweiten Fahrt des Kapitäns Christopher Kolumbus entdeckt, jedoch erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts von britischen Kolonisten besiedelt. Keiner weiß, ob er sich selbst ein Denkmal setzen wollte mit dem Namen (St. Kitts hieß ursprünglich St. Christopher und ist eigentlich nur ein Kosename) oder ob der die Insel nach dem Patron der Reisenden benannt hat. Schließlich ist er an St. Kitts nur vorbeigesegelt.
Die Insel St. Kitts besteht aus drei Vulkangruppen, die durch tiefe Täler separiert sind. Der höchste Berg von St. Kitts ist der 1.156 m hohe Mount Liamuiga, früher Mount Misery. Die Hauptstadt ist Basseterre.
Die Insel Nevis ist durch einen 3 km breiten Meerenge von St. Kitts getrennt. Die höchste Erhebung ist der Nevis Peak mit 985 m. In der Meerenge zwischen beiden Inseln liegt Booby Island.
Hat übrigens nichts mit einer Asylinsel für Dummköpfe (engl. Booby = Dummkopf) zu tun, wie man dem Namen nach vermuten könnte, sondern benannt nach den Tölpelvögeln und seit 2005 unter Naturschutz.
Übrigens: Bei diesen olympischen Spielen 1996 wurde Segeln im Laserboot als neue olympische Disziplin eingeführt und der Werbeslogan auf der Website des Tourismusbüros von St. Kitts and Nevis fordert auf:
„Follow your heart: explore, feel, love, remember – St. Kitts and Nevis“
Das reicht ja wohl als Motivation, oder? 😉 Hin da!
Da es über St. Kitts und Nevis noch viel Interessantes gibt, war dies bestimmt auch nicht der letzte Artikel dazu… J
Quellen: Homepage des Auswertigen Amtes, Wikipedia, www.stkittstourism.kn